Von Interviews, Fokusgruppen Und Co-Creation - Welche Methode ist die Richtige?
Bei dieser Frage scheiden sich die Geister: Einige schwören auf Fokusgruppen, wenn es darum geht Ideen zu generieren; andere sagen, dass individuelle Interviews in diesem Fall besser geeignet sind und neuerdings hört man in diesem Zusammenhang auch Begriffe wie “Co-Creation”. Und die Antwort? Welche Methode ist wann die Richtige? Alles zu seiner Zeit. Zunächst einmal möchte ich einen kurzen Überblick über alle drei Methoden geben, bevor jeweils geeignete Anwendungsmöglichkeiten abgeleitet werden und die Eingangsfrage damit hoffentlich erschöpfend beantwortet wird.
INTERVIEWS
Spitzenreiter unter den qualitativen Methoden ist sicher das Interview, bei dem ein Interviewer (ggf. unterstützt durch einen Protokollanten) einen Interviewten befragt. Dabei handelt es sich in unserem Fall konkret um teil- oder halbstandardisierte qualitative Interviews, die durch einen Interviewleitfaden mit vorgegebenen Themengebieten und unterstützenden Fragestellungen strukturiert und so - zumindest zum Teil - vergleichbar werden.
Interviews könnten dabei gut mit Methoden der Nutzerbeobachtung (z.B. indem man den Interviewten bittet, etwas am Computer zu demonstrieren) oder einem Ideen Card Sorting kombiniert werden, bei dem der Interviewte vorgestellte Ideen von der “überzeugendsten/ beliebtesten/ wichtigsten” zur “am wenigsten überzeugendsten/ unbeliebtesten/ unwichtigsten” sortiert.
Klarer Vorteil von Interviews ist, dass auf die individuellen Aussagen des Interviewten eingegangen werden kann, Unklarheiten können gezielt nachgefragt werden. Dabei entsteht eine große Menge an Daten, was den Auswertungsaufwand - je nach Anzahl der Interviews - in die Höhe treibt.
FOKUSGRUPPE
Seit den 1940ern in den USA und Großbritannien zur Untersuchung von Zuschauerreaktionen auf Propagandafilmen eingesetzte Fokusgruppendiskussionen sind heute auch in der Markt- und Konsumforschung und bei der Produktentwicklung ein Begriff. Dabei handelt es sich um moderierte Gruppendiskussionen mit fünf bis zehn ausgewählten Teilnehmern zu einem vorher festgelegten Thema.
Durch die Konfrontation mit den Sichtweisen der anderen Teilnehmer und der in einer Diskussion erforderlichen Erläuterung und Begründung eigener Meinungen können differenziertere Einstellungen zum Diskussionsgegenstand erhoben werden als das in Einzelinterviews der Fall sein kann. Gleichzeitig kann aber in Fokusgruppendiskussionen nicht jeder Teilnehmer zu jedem Punkt etwas sagen, weshalb es sinnvoll sein kann zusätzlich einen Fragebogen auszuteilen. Ein weiterer Vorteil von Fokusgruppendiskussionen ist, dass dabei mit vertretbarem Aufwand Meinungen und Anregungen mehrerer Personen gleichzeitig gesammelt werden können. Für den Erfolg der Diskussion ist jedoch die richtige Zusammenstellung der Teilnehmer ausschlaggebend: Um eine gemeinsame Diskussionsgrundlage zu haben, sollte die Gruppe ein Mindestmaß an Homogenität aufweisen (z.B. alle die in der Diskussion thematisierte Software nutzen), gleichzeitig ist aber für eine lebhafte und intensive Diskussion auch eine gewisse Heterogenität innerhalb der Gruppe wichtig (z.B. unterschiedliche Erfahrung im Umgang mit der Software).
CO-CREATION
Der bisher vor allem aus dem Bereich der Produktentwicklung und -innovation bekannte Ansatz “Co-Creation” mag vielleicht wie ein Buzzword erscheinen, die dahinterstehende Idee ist aber faszinierend: Anwender und Unternehmen gehen dabei für die Produktentwicklung eine gleichberechtigte Partnerschaft ein. “Co-Creators” werden ausgewählt, weil sie sich leidenschaftlich für das Thema interessieren und engagieren. Die Teilnehmergruppe kann dabei auch durchaus größter sein als bei einer Fokusgruppendiskussion. Für die Erarbeitungen von Lösungen zu einer bestimmten Problemstellung werden dann kleinere Gruppen aus den Teilnehmern gebildet, die von Experten und Stakeholdern des Unternehmens unterstützt werden und gemeinsam erste Ideen erarbeiten. Später werden die Ideen der verschiedenen Kleingruppen diskutiert, geteilt und daraus neue Ideen entwickelt.
Der größte Unterschied zur Fokusgruppendiskussion liegt darin, wer die Leitung der Gruppe inne hat: Bei der Fokusgruppendiskussion ist das eindeutig der Moderator, der das Thema in die Gruppe bringt und alle Äußerungen strukturiert; in einem “Co-Creation”-Workshop gibt es keinen gesonderten Moderator, sondern die Gruppe bestimmt, wo es hin gehen soll. Der zweite große Unterschied ist, dass es in Interviews und Fokusgruppendiskussion v.a. darum geht, was die Anwender sagen, während es in einem “Co-Creation”-Workshop gezielt darum geht, was sie machen - im Sinne von “anfertigen, erstellen”.
Neben dem hohen Aufwand für die Auswahl der richtigen Teilnehmer eines “Co-Creation”-Workshops liegt hierbei die Herausforderung v.a. im Unternehmen selbst, das eine entsprechende Offenheit für die Ideen und Herangehensweisen der Teilnehmer mitbringen und die kreative Kontrolle an diese abgeben können muss.
UND WELCHE METHODE IST NUN DIE RICHTIGE?
Jeder der vorgestellten Methoden hat ihre Vor- und Nachteile und die für sie geeigneten Anwendungsbereiche:
1. Immer dann, wenn es um individuelle Sichtweisen, Ideen der einzelnen Anwender und um möglichst intensive Gespräche mit diesen geht, dann sind Interviews die richtige Methode.
2. Wenn es v.a. darum geht, nach welchen Kriterien Entscheidungen getroffen werden und Entscheidungsprozesse verlaufen, wenn Vor- und Nachteile eines bestehenden oder zukünftigen Produktes diskutiert werden sollen, dann können Fokusgruppendiskussionen hilfreich sein.
3. Sollen jedoch eigene, neue Ideen entwickelt und Innovationen ermöglicht werden, so lohnt es sich auch nach “neueren” Methoden wie bspw. “Co-Creation” Ausschau zu halten.
Fazit: Jede Methode kann hilfreich sein, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt und mit der richtigen Intention angewendet wird: Alles zu seiner Zeit.
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